Journalistinnen und Journalisten drohen jahrzehntelange Freiheitstrafen

Martina Michels im Gespräch mit einer der Anwältinnen der Co-Vorsitzenden der HDP, April 2017 | Foto: Konstanze Kriese

Mit aktuellem liveblog der Prozessbegleitung des ECPMF

Heute begann im Çağlayanischen Justizpalast in Istanbul ein Prozess gegen 17 Journalist*innen, leitende Mitarbeiter*innen der Zeitung ‚Cumhuriyet‘. Ihnen wird ‚Hilfe für eine bewaffnete terroristische Organisation‘ vorgeworfen und jahrzehntelange Haft angedroht. Martina Michels, stellvertretendes Mitglied in der parlamentarischen Delegation EU-Türkei, kommentiert den Massenprozess gegen Medienfreiheit und fordert mehr praktische Unterstützung für europaweite Medienfreiheitsinitiativen:

„Nicht nur die Anschuldigungen gegen Medienvertreter*innen, die nichts als ihre engagierte Arbeit machen wollen, sind absurd. Unerträglich sind ebenso die Bedingungen einer monatelangen Untersuchungshaft mit willkürlichen Besuchsmöglichkeiten, sowie die Anklageerhebung, die sich ausschließlich auf Nachrichten und twitter-Einträge stützt. Sie wird letztlich spekulativ und denunziatorisch statt faktenbasiert vorgehen, ein Verfahren, welches in ähnlicher Weise gegen die politische Opposition eingesetzt wird und das jeglichen rechtstaatlichen Grundprinzipien entbehrt. Der inzwischen bis Oktober verlängerte Ausnahmezustand dient Erdoğan und seine treuen AKP-Anhänger*innen als rechtsunabhängiger Background, um die verbliebene Opposition und die bedrohte freie Presse nachhaltig zum Schweigen zu bringen.“

Das International Press Institute (IPI), die European Federation of Journalists (EFJ), das PEN International, Reporter ohne Grenzen und das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) berichten im Liveblog und innerhalb einer gemeinsamen Presseerklärung von der heute beginnenden Prozessbegleitung in Istanbul und in diesem Zusammenhang von der Schließung von 170 Medien im Zuge der Bekämpfung von Opposition, Medien und Zivilgesellschaft seit dem Ausnahmezustand.

„Ich begrüße die internationale Beobachtung des Prozesses und fordere zugleich die Kommission, den Rat, die EU-Mitgliedstaaten, sowie den Europarat auf, dieser massiven Zerstörung von Medienfreiheit und demokratischer Strukturen in der Türkei nicht länger tatenlos zuzusehen. Neben dem Monitoring des Europarates und diplomatischen Bemühungen innerhalb der EU-Nachbarschaftspolitik, muss es entschieden mehr konkrete Unterstützungsangebote für Medienleute, Akademiker*innen und politisch Verfolgte aus der Türkei geben. Es gibt gute Strukturen zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich dem Kampf für Presse- und Medienfreiheit verschrieben haben und derartige Unterstützung umsetzen können. Wir alle haben eine Verantwortung für diejenigen innerhalb der türkischen Gesellschaft, die im Referendum nicht der präsidialen Allmacht ihre Stimme gegeben haben und die Hoffnung auf Rechtstaatlichkeit, Meinungs- und Medienfreiheit nicht aufgegeben haben.“