Martinas Woche 3 – 2016

Interkultureller Dialog – Digitaler Binnenmarkt – Türkei – Israel – Polen

Martina Michels konnte in der vergangenen Woche nicht in Straßburg sein. Trotzdem verfolgte sie das Geschehen und äußerte sich zu den Plenardebatten. Immerhin standen drei Themen, zwei davon mit Abstimmungen auf dem Programm, bei denen sie in den vergangenen Monaten viel Arbeit reingesteckt hatte oder innerhalb ihrer Ausschussarbeit Schattenberichterstatterin war. Dazu gehörte der Bericht zum Interkulturellen Dialog und auch wesentliche Elemente des Initiativberichts des Parlaments zum Digitalen Binnenmarkt, sowie die aktuelle Debatte zur Lage im Südosten der Türkei, die am Mittwoch auf Druck unserer Fraktion stattfand.

Bericht zum Interkulturellen Dialog

Am Montag stellte das Plenum den Bericht aus dem Kulturausschuss mit dem schönen Titel „Über die Rolle des Interkultuellen Dialogs, der kulturellen Vielfalt und der Bildung bei der Förderung der Grundwerte der EU“ vor. Soziale und kulturelle Integration sind zwei Seiten derselben Medaille, die leider ziemlich viele blinde Flecken aufweist. Warum entscheidende Fragen der Integration so „versteckt im Kulturausschuss“ behandelt werden, ist eigentlich nicht nachzuvollziehen, es sei denn man erkennt in diesem Umstand den enormen Nachholbedarf dieser Debatte in vielen Europäischen Ländern. Mit den Anschlägen vom 13. November in Paris wurde dann einmal mehr und nur im besten Falle der Reflexionen, sehr kritisch auf die Fehlstellen von jahrzehntelangen Integrationsprozessen in vielen europäischen Ländern verwiesen. Der erarbeitete Bericht tat dies schon im September, begleitet von einer guten Anhörung, die die mannigfaltigen Fehlstellen u. a. auch in Bildungsinstitutionen offenlegte. Zur Zeit werden alle gesellschaftlichen Konflikte, auch die, die durch Kürzungspolitik und neoliberale Dogmen sich über Jahrzehnte aufgeschaukelt haben kopflos mit der ausbleibenden humanen Flüchtlingspolitik verkoppelt. Die häufigsten Antworten sind dann eine staatliche repressive Innenpolitik oder gar einer Fluchtursachen verstärkende militärische Außenpolitik. Es wäre eigentlich angeraten, dass sich alle Ausschüsse mit der kulturellen Integration auseinandersetzen und die Förderung derselben in ihre Politikfelder eingravieren würden.

Digitaler Binnenmarkt

Noch immer – auch unter Politikerinnen und Politikern – ist das Denken vorherrschend, dass Regelungen für einen Europäischen Digitalen Binnenmarkt, eine Angelegenheit der Verbraucherschutzrechte und der Technologieförderung sind. Das sind sie zum einen zweifelsohne, denken wir nur an Datenschutzrechte und zwar nicht nur als Käufer, sondern als Bürgerin und Bürger. Doch insgesamt greift diese Sicht zu kurz, will man die Veränderungen des digitalen Zeitalters in Produktion und Kommunikation wirklich erfassen und politisch sinnvoll damit umgehen. Der Kulturausschuss war daher speziell bei den Audio-Visuellen Medien gefragt, doch er hat sich natürlich auch zu weiteren Grundfragen des Regelungsbedarfes, wie dem Erhalt der Netzneutralität, des Breitbandausbaus, der Förderung der Multilingualität und der Internetkompetenz, sowie zu den vielen offenen Fragen der Harmonisierung des Urheberrechts geäußert. Noch sind die entscheidenden Gesetzesvorschläge der Kommission nicht auf dem Tisch. Der Initiativbericht des Parlaments sollte daher eher ein Weckruf sein, den kommerziell verengten Blick der Kommission auf die digitale Welt, endlich auch zur Frage der Zugänge, der offenen Kommunikation und des Datenschutzes zu machen. Martina fasste ihre Sicht nochmals zusammen und kommentierte die Abstimmung. Die zusammenfassende Presseerklärung ist hier zu finden.

Die Lage im Südosten der Türkei I – Debatte in Straßburg

Viermal ist Martina im vergangenen Jahr in die Türkei gereist, einmal nach Ankara, dreimal nach Diyarbakir und Umgebung. Was derzeit im Südosten der Türkei passiert, zeichnete sich nach den Wahlen im Juni schon ab. Erdogan kriminalisiert die Opposition, Medienfreheit und mittlerweile sich die freien Wissenschaften werden verfolgt. Darüber hinaus ist Lage im Südosten der Türkei ist längst eskaliert und die EU schweigt, weil die Mitgliedsstaaten die Türkei auserkoren haben, ihr bei der Lösung der Flüchtlingsbewegung nach Europa zu helfen, Flüchtlinge an der Weiterreise zu hindert. Sie tut dies derzeit auch durch Inhaftierung und Abschiebung von Flüchtlingen in Syrien. Doch Verantwortung lässt sich nicht outsourcen. Deshalb gehörte diese Debatte ins Plenum, obwohl sie erst auf Druck unserer Fraktion dort geführt wurde. Martina verfolgte die Debatte nicht nur hier, sondern gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen auch auf twitter.

Israel – Schrittchen in die richtige Richtung

Martina begrüßte die Schlussfolgerungen des Rates zum Nahost-Friedensprozess:

Ich bin mit diesem Text sehr einverstanden, er greift eine Reihe von Positionen des Europaparlaments auf, die es auch in seiner Resolution vom vergangenen  September verabschiedet hatte. Allerdings sehe ich noch  nicht, dass die Mitgliedstaaten und die EU in der Praxis auch entsprechend gemeinsam aktiv werden.“ Doch damit fehlen weiterhin entscheidende Schritte der Umsetzung.

Polen – Rückkehr zur EU-Grundrechtecharta angemahnt

In dieser Woche debattierte das Parlament die politischen Weichenstellungen in Polen. Die Entwicklungen in der Medienpolitik, sowie die Neujustierung innerhalb der Verfassungsgerichtsbarkeit lassen europaweit Zweifel aufkommen, ob Grundrechte weiterhin für Polinnen und Polen gesichert sind. Unter der Überschrift „Linksfraktion begrüßt Dialogverfahren, fordert Ende des polnischen Opt-out zur EU-Grundrechtecharta“ erläutern Martina Michels und Nora Schüttpelz die wesentliche Debattenpunkte.

Die Lage im Südosten der Türkei II – Proteste in Berlin

Am Freitag dann kam der Ministerpräsident der Türkei, Davutoglu nach Berlin. Der Protest gegen die Türkeipolitik der EU, ihr Schweigen gegenüber dem Krieg in den kurdischen Städten hatte sich vorm Kanzleramt vervielfacht. Shermin Langhoff vom Maxim-Gorki-Theater hatte die Unterstützung für Akademikerinnen und Akademiker in der Türkei mit organisiert. Dort begegneten Studentinnen und Studenten und Dozentinnen und Dozenten, die aus Solidarität mit dem Aufruf „academics for peace“ durch die Innenstadt gelaufen sind, den kurdischen Vereinen der Stadt.

Allerding weisen die Ergebnisse der Regierungskonsultationen zwischen der Türkei und Deutschland nicht in eine Richtung, die einem deutlichen Gespräch über die Menschenrechtsverletzungen und den von ProAsyl und Amnesty hart kritisierten Umgang mit Flüchtlingen in der Türkei gerecht werden.

In einer „Gemeinsamen Erklärung zu den Deutsch-Türkischen Regierungskonsultationen vom 22. Januar 2016″ heißt es: „Die jüngsten, abscheulichen Anschläge in Istanbul und zuvor in Ankara und Suruç bestätigen die große und dringende Notwendigkeit, die Zusammenarbeit im rechtmäßigen Kampf gegen den Terrorismus in all seinen Formen und Facetten, einschließlich Da’esh, PKK, DHKP-C und anderen, weiter zu vertiefen.“ Dies rechtfertigt allerings weder das Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung, die Medien, Intelektuelle und die politische Oppostion im Osten der Türkei, noch eine undifferenzierte Haltung zur PKK und deren Gleichsetzung mit ISIS, auch angesichts des Krieges in Syrien.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.