Martinas Woche 16 – 2016

Neues aus dem Regional- und Kulturausschuss in Brüssel – Gast in Magdeburg – EU und Türkei – Online-Wegweiser-Europapolitik

Ein bunter Ausschussmarathon stand am Wochenbeginn. Er reichte von der Rolle der Städte und Gemeinden in der Energiewende bis zum Lernen und Arbeiten in der digitalen Welt. Die große EU-Politik samt den erschütternden Folgen des EU-Türkei-Abkommens lag zugleich wie ein grausiger Schatten auf allen Wegen. Am Freitag – ein Lichtschimmer – erschien ein interessantes Buch zur Zukunft Europäischer Kulturpolitik. Am Samstag ging es nach Magdeburg. Und: Wir testen gerade einen Online-Wegweiser Europapolitik.

Regionalausschuss entscheidet zu erneuerbaren Energien, Transportinfrastruktur in Mittelosteuropa und „Smart Specialisation“

Regionen und Städte sind bei der solaren Energiewende entscheidend. In den Kommunen werden die Klippen der Energiepolitik letztlich immer greifbar, haben unmittelbaren Einfluss auf das Haushaltseinkommen, frische Luft und Jobaussichten. Im Dorf und in der Stadt werden die demokratischen Debatten um die Akzeptanz für erneuerbare Energiegewinnung geführt und entschieden. Diesen Zugang will der Regionalausschuss (REGI) in der Energiepolitik stärken.

Weiter beschäftigte sich der Ausschuss mit der Transportinfrastruktur in Mittelosteuropa und mit allem, was hinter dem geheimnisvollen und zugleich nichtssagenden Kürzel „RIS3“ steht. „Gerade im Rahmen der Debatten um die EU-Stadtpolitikstrategie „Urban Agenda“ wird viel auf „smarte“ Spezialisierung, technologische Innovation und dabei digitale und webbasierte Technologien gesetzt. Der Einsatz moderner Technologien zur Erleichterung von Herausforderungen des Lebens- und Arbeitsalltags ist natürlich wichtig –  auch in ländlicheren Gegenden. Nur werden diese oft vergessen…“ Diese Klippen erläutern Nora Schüttpelz und Martina Michels in der Zusammenfassung dieser interessanten und entscheidungsfreudigen Ausschusssitzung. Die Entscheidungen im Parlament werden dazu im Juni fallen.

Beschäftigungs- und Kulturausschuss tagten vergangene Woche gemeinsam – vorerst enttäuschend

Möglicherweise ist das Urteil zu hart. Es war schon etwas Besonderes, dass der kleine Kulturausschuss (CULT) gemeinsam mit dem großen Beschäftigungsausschuss (EMPL) zu Fragen der Bildung und Berufsaus- und weiterbildung sprach. Eingeladen waren zu einem strukturierten Dialog die Mitglieder der EU-Kommission Marianne Thyssen und Tibor Navracsics.

Letztlich kann man sich immer darauf zurückziehen, dass Bildung ein politisches Revier der Mitgliedstaaten ist. Trotzdem ist eine europäische Debatte durchaus sinnvoll, schon wegen des rasanten Wandels der Arbeits- und Lebenswelt durch die Digitalisierung. Doch man wurde in der Debatte mit vielen konkreten Fragen der Abgeordneten das Gefühl nicht los, dass der Personalcomputer gerade erst erfunden wurde und der Reigen der vielen guten Absichtserklärungen durch nichts Konkretes durchbrochen werden sollte.

Um so aufregender wird es dann in der nächsten Woche. Am Dienstag wird gleich ein ganzes Paket entschieden: Einmal geht es dann um die Fortsetzung einer europäischen Kooperation bei Bildung und Beruflicher Aus- und Weiterbildung, die im Rahmen der 2020-Strategie geplant ist, um eine Stellungnahme zu Flüchtlingspolitik, die zu Veränderungen im mehrjährigen Finanzrahmens führen könnte – wir haben dazu schon an anderer Stelle berichtet – und um eine kulturpolitische Perspektive auf die Außen- und Sicherheitspolitik.

Kurze und unvollständige Geschichte der mangelnden kulturpolitischen Debatte in Europa

Ein Sammelband zur Zukunft der europäischen Kulturpolitik ist erschienen. Die EFA, die Europaen Festival Association hat gemeinsam mit dem Europäischen Haus der Kultur in Brüssel einen Sammelband unter dem Titel: „Beyond Visions: A policy on culture in Europe“ herausgegeben mit Beiträgen von Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Martina hat einen der Aufsätze beigesteuert, auch wenn sie am vergangenen Freitag nicht an der Pressekonferenz zur Buchpräsentation in Brüssel sein konnte. Hier sind einige Hinweise zur englischsprachigen Publikation. Und zusätzlich liefern wir hier eine deutsche Vorabversion des im Sammelband ein wenig gekürzten Beitrages. Für die Unterstützung bei der Übersetzung möchten wir uns ausdrücklich bei unserem Pressesprecher, Karim Khattab bedanken und auch beim Haus der Europäischen Kultur, die in einer diskussionsfreudigen Schlussredaktion die gekürzte Fassung mit entstehen ließ.

Martina Michels in Magdeburg

Martina Michels war am Samstag in Magdeburg beim Landesparteitag der Sachsen-Anhaltinischen Linken zu Gast. Sachlich waren dort die Aussprachen zur Wahlniederlage und vor allem nach vorn gerichtet. Was der Landesverband erlebte, ist ein Problem der ganzen Partei. Der Umgang mit Wählerinnen und Wählern der AfD ist differenziert zu thematisieren. Der eiskalte Umbruch hin zu offenem Rassismus und faschistoidem Terrorismus beschäftigt jede und jeden. Und man kommt nicht umhin, in diesem Zusammenhang auf den abenteuerlichen Hintergrund zu verweisen, den die Regierungspolitik von Merkel und Gabriel derzeit zu diesen europaweit gefährlichen Entwicklungen beisteuert. Mit den letzten Asylrechtsverschärfungen wird hier gehandelt, als ob die AfD schon mitregiert. Damit fällt diese Politik auch Flüchtlingshelferinnen und -helfern, die sich von der Kanzlerin noch im vergangenen Sommer bestärkt fühlen konnten, in den Rücken, wenn es um die einfachsten Möglichkeiten geht, Menschenwürde und Solidarität innerhalb globaler Umbrüche zu bewahren.

Genau deshalb ergriff Martina auch zu dem Versagen der EU, der Kommission und des Rates das Wort. Sie kritisierte die Folgen des EU-Türkei-Deals, an dessen Zustandekommen Angela Merkel entscheidenden Anteil hat. Sie wiederholte, dass Europa auf diese Weise seine Geschichte, seine Seele und seine Zukunft verkauft.

Merkel lässt sich von der Türkei ihren politischen Kurs bestätigen

Der Besuch Merkels in der Türkei an diesem Wochenende bestätigt leider diesen Kurs. Weder die Kanzlerin noch Tusk und Timmermanns widersprachen den Angriffen des türkischen Premiers Davutoğlu gegen Amnesty International. Das ist verantwortungslos und erschwert das Arbeiten von Hilfsorganisationen, NGOs. Journalistinnen und Journalisten in der Türkei noch mehr. Der frühere TAZ-Kolumnist und jetzige Welt-Korrespondent für die Türkei, Deniz Yücel, schilderte in zwei Artikeln am Samstag einmal die reale Flüchtlingssituation und andererseits die Inszenierungen für den Staatsbesuch.

Meckern erwünscht! Wir haben einen Online-Wegweiser Europapolitik in der Erprobungsphase

Noch sitzen wir am finalen grafischen Feinschliff und suchen den besten Ort der Implementierung, doch wir testen schon mal einen Online-Wegweiser zur Europapolitik, der auf eine Studie unserer linken Delegation im Europaparlament zurückgeht. Darin hatte der Politikwissenschaftler Alban Werner das gesamte Themenfeld europäischer Öffentlichkeit durchforstet und zugleich den Grundstein gelegt, damit wir einen kleinen Wegweiser zur EU-Politik – leicht zugänglich – anbieten können. Wir haben geplant, am 3. Mai, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, dann laut und vernehmlich mit diesem eigenen Beitrag zu einer besseren europäischen Öffentlichkeit zu starten, einem kleinen Service, der interessant und hilfreich sein soll für Schüler und Studentinnen, Journalisten und Aktivistinnen von NGOs, für Politikinteressierte und Neugierige. Also los geht es mit: Was Sie schon immer über Europa wissen wollten, aber sich nie getraut haben zu fragen…

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.