Martinas Woche 1 bis 3 – 2018

Parlamentsgebäude in Brüssel, 12. Stock | Foto: Konstanze Kriese

Iran – Türkei – Syrien – Israel – Europapolitik in Sachsen-Anhalt – Manifest von Ventotene – SPD will in Deutschland Koalitionsverhandlungen aufnehmen

Das Jahr beginnt mit einem neuen Kapitel der völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen in Syrien unter donnerndem Schweigen der EU und der Deutschen Regierung. Letztere erwägt gerade die Aufrüstung türkischer Panzer, statt ihren Premiumpartner Erdogan an die Wiederherstellung von Rechtsstaat und die Garantie von Menschenrechten zu erinnern.

Der Auftakt des Jahres war auch in Brüssel und Strasbourg lehrreich. Martinas Delegationskollegin, Sabine Lösing, verantwortete zum Auftakt eine wichtige Veranstaltung zum Atomwaffenverbotsvertrag und erläuterte den ICANs Appell an die künftige Bundesregierung.

Am Donnerstag, den 11. Januar, trafen sich Exiliraner*innen und  viel iranische Opposition in Brüssel. Ab Montag dieser Woche lag der Fokus des Europaparlaments dann bei der Plenartagung in Strasbourg. Freitag tagten die Europapolitischen Sprecher*innen in Berlin und Martina fuhr an diesem Wochenende nach Sachsen-Anhalt zur Klausur.

11. Januar – Der Iran ist mehr als Rohani und Khamenei

Länger geplant war ein Treffen zu demokratischen Veränderungen im Iran. Mit den Demonstrationen seit dem 28.12.2017 durch Rohanis Ankündigungen von Preissteigerungen und Subventionskürzungen gestaltete sich die erste Veranstaltung des Jahres, die durch Martina unterstützt wurde, zu einem großen Treffen der iranischen Opposition. Das Kurdish Institute Brüssel hatte Martina um die Eröffnung der Konferenz „The Democratic Movement Platform of Nations in Iran“ gebeten, weil sie als Mitglied der Parlamentarischen EU-Türkei-Delegation des Europäischen Parlaments seit Jahren in besonderer Weise erlebt, dass die Lösung der „kurdischen Frage“ ein Schlüssel zur Demokratisierung des „Nahen Ostens“ ist. Ihre Eröffnungsrede und eine Mitteilung an Vorabend des Treffens sind hier zu finden. Auch Martinas Delegationskollegin, Cornelia Ernst, erneuerte zeitgleich die Position zur Einhaltung des Atomabkommens.

Israels Existenzrecht ist nicht verhandelbar

Am kommenden Montag wird Abbas in Brüssel bei der Hohen Vertreterin Mogherini erwartet. Und es wird allerhand zu bereden geben, was in der vergangenen Woche schon ausgesprochen wurde. So forderten Martina Michels und Barbara Spinelli, den Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) auf, seinen Beschluss über die Aussetzung der Anerkennung Israels zu überdenken. „Ein solcher Beschluss ist für die Wiederaufnahme des Friedensprozesses nicht hilfreich,“ urteilen die beiden Abgeordneten. Die EU sollte demnach auch in der kommenden Woche eine vernehmliche Rolle spielen, wenn es um eine diplomatische Wiederaufnahme von Schritten für die Zweistaatenlösung geht.

Syrien: Erdogan schickt Panzer gegen kurdische Autonomie

Wahltag in Diyarbakir 1.11.2015 | Foto: Konstanze Kriese

Zugleich ist die Befriedung des Nahen Osten mehr als die Verhandlung zwischen Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten. Der Iran ist längst Mittelpunkt der derzeitigen Auseinandersetzung und die aktuellen Ereignissen in Nordsyrien verweisen darauf, dass sich die EU nicht vornehm raushalten kann, wenn Erdogan Nordsyrien bombardiert.

Seit heute Mittag ist das Internet in Afrin gekappt. Die Nachrichtenlage wird entsprechend unübersichtlich, doch klar ist, dort werden weder der IS noch andere islamistische Milizen bekämpft. Es geht gegen die kurdische YPF/YPJ, die sowohl im Kampf gegen den IS – unterstützt vom türkischen NATO-Partner USA – wesentliche Erfolge tu verzeichnen hat. Andererseits sind viele Binnenflüchtlinge in Syrien im Norden vorerst zur Ruhe gekommen und werden nun erneut von militärischen Angriffen bedroht. Martina hatte am Freitag zum geplanten völkerrechtswidrigen Angriff Erdogans schon eine umfangreiche Pressemitteilung veröffentlicht und verfolgt nun, im Austausch mit Journalisten, Kurdinnen und Kurden, wie Erdogan schon wieder im Inland die politische Opposition, die sich friedlich mit Jesid*innen und Kurden*innen in Nordsyrischen solidarisiert, verfolgt. In Diyarbakir wurde heute die HDP-Zentrale gestürmt.

Wie sehr uns all diese Entwicklungen betreffen zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, die hier im Bild nachzulesen ist. „Der Beachtung der Menschenrechte wird bei Rüstungsexportentscheidungen ein besonderes Gewicht beigemessen“ , schreibt dort die geschäftsführende Bundesregierung, während ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg des Premiumpartners angekündigt wurde, genau dahin, wo sich Syrer*innen bisher vorerst in Sicherheit gebracht hatten.

Osterfeld – Martina Michels zu Gast in Sachsen-Anhalt

Wo stehen wir in den großen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und wie erleben wir gute Politik in den Kommunen? Strategische Fragen, wie wir mit unseren politischen Angeboten das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger gewinnen, standen im Mittelpunkt der Klausur der Landtagsfraktion und des Landesvorstand DIE LINKE Sachsen-Anhalt.

Der zweite Klausurtag stellte Europapolitik in den Mittelpunkt. 2019 sind Europawahlen und wir müssen letztlich aushandeln, wie wir zur Reformierbarkeit der EU stehen und was wir für ein politisches Europa wollen. Martina unterstrich in der intensiven Diskussion, dass der Ausgangspunkt unserer Aktivitäten kein „Weiter so“ in der EU sein kann. Wir brauchen eine europäische Erzählung, in der wir die berechtigte Kritik an der EU mit unseren Zukunftsvisionen verbinden. Nur wenn es uns gelingt, die europapolitische Debatte mit den Lebensfragen der Menschen zu verbinden, haben wir eine Chance auf einen Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern.

Tipp – 29.1.2018 in Brüssel: Reclaim the Manifesto of Ventotene

Die Europäische Integration ist eine uralte Idee, die mit dem Ausgangs des 2. Weltkrieges wieder belebt wurde. Am 29.1. wird ein ebook vorgestellt, dass eine Wiederaneignung des Manifestes von Ventotene einfordert. Der vorgelegte Sammelband soll Auftakt für eine fortgesetzte Debatte über solidarische Visionen in Europa werden.

SPD entscheidet Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU aufzunehmen

Wir können viele Punkte aufführen, die im Sondierungspapier kleinen Versprechen gleichen, aber wir können auch in großen Federstrichen sagen, dass wohl bei der Flüchtlingspolitik die CSU einer kommenden Regierungskoalition ihren Stempel aufgedrückt hat und eine Flüchtlingspolitik vorschlägt, die einem so reichen Land wie Deutschland unwürdig und menschenrechtlich untragbar ist, vor allem beim Familienzuzug. Ebenso ist das europäische „Weiter So“ mehr als enttäuschend, trotz des lauten Bekenntnisses zur europäischen Politik.

Nun hat der SPD-Parteitag nach kontroverser Debatte entschieden. Von 642 Delegierten stimmten 362 mit JA, 279 mit NEIN für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Ob das gut ist für das Land, für Europa und für die SPD selbst, lässt sich am heutigen Tage nicht beantworten. Wenn die kommende Politik nicht über die Sondierungsergebnisse hinausgeht, dann bleiben Eurokrise, soziale Ungleichheit und Migration vermutlich unbearbeitet und erzeugen weitere Bugwellen politischer Ratlosigkeit, Futter für Extremist*innen und Populist*innen. Behalten wir die Hoffnung, dass die SPD mit der heutigen knappen Entscheidung weiterhin den Druck für eine Erneuerung auch auf europäischer Ebene spürt und nicht weiter macht wie bisher. Die gesellschaftliche Linke insgesamt hat das strategische Dilemma und das dürftige Angebot einer Sozialdemokratie, die der Zeit hinterher eilt, aufzuarbeiten. Schadenfreude und Skandalisieren helfen am heutigen Tage niemandem weiter. Die Europawahlen 2019 werfen längst ihre Schatten voraus.

Der medienkompetenteste Satz des Tages: „Vertrauen stellt sich nicht mit Spiegelstrichen her.“, kam vom JuSo-Versitzenden Kevin Kühnert. Politische Projekte für eine weltoffene und gerechte Zukunft, die nachvollziehbar und nachhaltig zugleich sind, verlangen einen intensiven Dialog und dies ist in der Europapolitik oft noch um einiges schwieriger als in der Bundespolitik, obwohl deren Auswirkungen in jeder Kommune in unserem Alltag unübersehbar sind.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.