Flüchtlingspolitik von Links und linke Alternativen zur Sparpolitik

v. l. n. r. Josu Juaristi (MdEP, Baskenland), Gabi Zimmer (MdEP), Martina Michels (MdEP, beide DIE LINKE.), Youssef Ben Amar (PCF, Alonnes), Sophie Merckx (PTB, Charleroi) | Foto Nora Schüttpelz

GUE/NGL-Konferenz mit REALPE

Konferenzbericht

Die diesjährige Konferenz der GUE/NGL-Fraktion im Europäischen Parlament mit dem Netzwerk linker Kommunalpolitiker REALPE fand am 6. und 7. April 2016 in Brüssel statt.

Diesmal ging es in einem ersten Panel, moderiert von der Berliner Europaabgeordneten Martina Michels, um die Probleme, vor die sich Kommunen und Gemeinden in Zeiten von Haushaltsdisziplin und damit verbundenen Sparzwängen gestellt sehen, vor allem aber um Beispiele für Widerstand und Alternativen von Links. Sparmaßnahmen für die öffentliche Hand, die auf nationaler oder auch EU-Ebene beschlossen werden, wirken sich auf Regionen und Kommunen in vielerlei Hinsicht ganz direkt aus. Dabei haben diese oft keinerlei Möglichkeit der Mitsprache oder gar eines Veto dagegen. Sie sind es, die dann vor Ort weniger investieren können, Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge einschränken müssen und auch den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären haben, was alles teurer wird oder nicht mehr funktioniert, weil nicht mehr bezahlt werden kann.

Vor allem aber geht es bei den jährlich stattfindenden Treffen der Linksfraktion im EP mit dem REALPE-Netzwerk um den Austausch zwischen Linken, die kommunalpolitisch Verantwortung übernommen haben: Den Austausch über ganz konkrete Beispiele ihres Widerstands gegen Sparpolitik. Den Austausch auch über erfolgreiche Formen und kreative Aktionen, mit denen trotz der Sparzwänge die Aufgaben der öffentlichen Hand doch noch im Sinne guten und inklusiven gesellschaftlichen Zusammenlebens gemeistert werden. Es geht dabei um ganz alltägliche Fragen wie: Funktionieren Wasserversorgung  und Abwasser- und Müllentsorgung? Gibt es Kinderbetreuung und einen Schulbus sowie überhaupt eine Anbindung an regelmäßigen und bezahlbaren Personennahverkehr? Ist Zugang und Bezahlbarkeit von Gesundheitsdiensten gewährleistet? Gibt es bürgernahe Verwaltung, kann zum Beispiel vielleicht Verwaltung digital kontaktiert werden und ist die dazu vorhandene Kommunikationsinfrastruktur vorhanden? Welche kreativen Wege gibt es, die Gemeindefinanzen aufzubessern?

Je nachdem, ob Linke in Opposition oder Entscheidungsverantwortung vor Ort sind, gibt es verschiedene Beispiele konkreter Politik: sei es Protest gegen die Schließung von Schwimmbädern oder Statteilzentren mittels Demonstrationen in der Belgischen Industriestadt Charleroi, sei es der Abschluß von Arbeitsverträgen in der öffentlichen Verwaltung in der Portugiesischen Provinz Seixal, in denen z. B. der Weg der Arbeitszeiterhöhungen nicht mitgemacht wird. Transparenz über und effizienter Einsatz von öffentlichen Haushaltsmitteln seien in einer Demokratie absolut wichtig und es gebe ausreichend Beispiele von Verschwendung, Korruption und persönliche Bereicherung in der Geschichte konservativer Regierungen, so ein Teilnehmer aus dem Baskenland. Er zugleich auch von dem positiven Beispiel berichten, dass eine linke Koalition vor Ort die Vergabe eines  Auftrags zur Stadtreinigung mit Umweltschutzkriterien verbinden konnte. Einig waren sich jedoch alle, dass strenge Haushaltsbeschränkungen zu Personalabbau in der öffentlichen Verwaltung führten und damit die Erfüllung der gesellschaftlich notwendigen Aufgaben immer weiter gefährdet wird. Mehrfach wurde daher auch angesprochen, dass Reformen der Einnahmenpolitik notwendig seien. Konkrete Vorschläge zu einer Gemeindewirtschafssteuer präsentierte der Kreistagsabgeordnete der LINKEN., Tobias Bank, aus dem Havelland (sie angehängtes Redemanuskript auf dieser Website).

Tobias Bank (DIE LINKE.) zugeschaltet per Skype | Foto: Nora Schüttpelz

Tobias, wie auch einige weitere Teilnehmer*innen konnten übrigens leider nicht nach Brüssel anreisen: Nach den Terroranschlägen vom 22. März auf dem Flughafen und in der Metro von Brüssel hatten einige Fluggesellschaften Flüge sehr kurzfristig ausfallen lassen oder weiträumig umgeleitet. Innerhalb weniger Stunden konnten jedoch Videokonferenzmöglichkeiten realisiert werden, sodass nicht nur der Saal trotz allem gut gefüllt war, sondern die europäische Dimension auch durch die Zuschaltung von Gästen in verschiedenen Ländern wortwörtlich sichtbar wurde.

Eine ganz aktuell dringliche Herausforderung für die Kommunen ist natürlich die Integration von Flüchtlingen. Deshalb widmeten die Europa- und Kommunalpolitiker*innen diesem speziellen Thema den gesamten Donnerstagvormittag. Viele Redner*innen betonten zu allererst, dass Flüchtlinge oder überhaupt Menschen mit Migrationshintergrund keinesfalls in populistischer Art und Weise für soziale und Sicherheitsprobleme in unseren reichen europäischen Gesellschaften verantwortlich gemacht werden dürften und dass nichts weniger links ist, als einem angeblichen „Kampf der Kulturen“ oder „Flüchtlingsquoten“ das Wort zu reden. Beklagt wurde entsprechend der rechtspopulistische Nationalismus, der sich fast überall in der EU über rechte und rechtsextreme Parteien wie z. B. die AfD oder den Front National breit macht. Der Kampf gegen Armut dürfe nicht verschiedene gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausspielen. Vielmehr ginge es in allen Bereichen für inklusive Gesellschaften müsse und gegenseitiges kulturelles Verständnis. Die direkte alltägliche Begegnung, so berichteten u. a. Redner aus Paris und Stockholm, sei das beste Mittel, Vorurteile abzubauen und gemeinsame Interessen herauszustellen. Deutliche Kritik wurde gegenüber jeglicher Abschottungspolitik der EU nach außen laut und natürlich auch gegen den Flüchtlingsdeal mit der Türkei (Information und Kritik dazu hierhier und hier).

Redemanuskript von Tobias Bank REALPE