Anschläge, ein Amoklauf, die Medienwelt und die Sicherheitsdebatten

Foto von Konstanze Kriese: Zeit für Trauer - Blumen für die Opfer

Es ist entsetzlich, was in der vergangenen Woche – für viele auch in unmittelbarer regionaler Nähe – an sinnlosem Töten, an schmerzlichem Verlust für Freunde und Familien geschah. Die Medien in Frankreich und Deutschland vermittelten ein Gefühl von „Die Welt ist aus den Fugen!“ – obwohl dies statistisch nicht gestützt ist und den Betroffenen und allen, die sich viele Fragen stellen, auch überhaupt nicht weiterhilft.

Und plötzlich ist in Deutschland angesichts der Ereignisse von Würzburg, München und Ansbach von einer besseren personellen Ausstattung der Polizei die Rede. Das erscheint noch das Vernünftigste in der derzeitigen erhitzten Debatte nach den Anschlägen in Nizza, Würzburg. Ansbach und dem Amoklauf in München und dem Mord in Reutlingen. Es wird zwar kaum darüber gesprochen, dass genau diese Personaldecke bei der Polizei in den vergangenen Jahren massiv abgebaut wurde. Doch immerhin. Frank Tempel, Bundestagsabgeordneter der Linken, sagt in seiner Kolumne „Wie Amokläufe zu verhindern sind“ Wesentliches zur nötigen Prävention, soweit sie möglich ist.

Ansonsten verwundern einige Reaktionen jedoch erheblich. Es ist zweifelhaft, ob ein Großteil der Debatten den Betroffenen, den Hinterbliebenen, den Verletzten weiterhelfen kann und dem Gedenken an die Opfer wirklich gerecht wird. Von Boulevardjournalismus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bis zur unerträglichen Instrumentalisierung der Ereignisse durch die AfD oder die ewig gleichen Antworten der Law-and-Order-Innenpolitiker mit ihren Rufen nach mehr Überwachung, Bundeswehreinsätzen und dergleichen war wieder alles in der öffentlichen Debatte vertreten. Zur Wahrheit würde immerhin gehören, dass die meisten Opfer von Gewalt und Terror – selbst in diesen Tagen – gar nicht in Europa leben. Aber es ist verständlich, dass uns so schreckliche Taten in unserem Alltag erheblich verunsichern und die Fragen deutlicher und lauter werden, wie man dem vorbeugen kann und auch, wie solche Gewalttaten entstehen und möglich sind.

Zuerst sollte sich Jede und Jeder die Zeit zum Trauern nehmen und auch Abstand gewinnen. Wir im Brüsseler Büro wissen, wovon wir sprechen, denn wir haben die Gespräche und Debatten nach dem unmittelbaren Erleben vom 22. März geführt und sind damit nicht am Ende. Trotzdem gilt für uns weiterhin als Leitmotiv die Reaktion Jens Stoltenbergs 2011, nach dem entsetzlichen Massaker von Andreas Brevijk: „Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“ Und dies müssen wir mit konkreter Politik beantworten, in der die Antipode der Freiheit nicht Sicherheit im Sinne von Überwachung und Ausgrenzung ist, sondern Freiheit ihre Ergänzung durch Gerechtigkeit und Gemeinsinn erhält.