Großprojekte, Internet, Naturkatastrophen und Bankgeschäfte

Abstimmung im REGI | Foto: Nora Schüttpelz

Ausschuss für Regionale Entwicklung – plus eine kleine Abkürzungslehre: EFSI 2.0, WiFi4EU, 5G, EFRE und FIs

Im Ausschuss für Regionale Entwicklung türmten sich in dieser Woche die Ergebnisse der Arbeit der vergangenen Monate auf, mehrere Texte zu wichtigen Fragen der EU-Regional- und Kohäsionspolitik standen zur Abstimmung:

EFSI 2.0

Der „Europäische Fonds für Strategische Investitionen“, besser bekannt unter der Abkürzung EFSI, soll nach dem Willen der EU-Kommission ein Update mit Upgrade zum EFSI 2.0 bekommen. Seine Laufzeit verlängert und damit natürlich auch mehr EU-Haushaltsmittel dafür bereitgestellt werden – die erneut aus anderen Fördertöpfen abgezweigt sind.

Martina Michels, für DIE LINKE. Mitglied im Ausschuss für Regionale Entwicklung meint: „Kaum jemand außerhalb der EU-Kommission ist vom Funktionieren dieses Instruments überzeugt, es gibt keine überzeugendenden Analysen dazu, nicht einmal transparente und hinreichende Informationen darüber, wo welche Projekte in welcher Höhe unterstützt werden und Anträge für EFSI-Kredite müssen auch keineswegs den Anforderungen der Kohäsionspolitik entsprechen, sondern es handelt sich de facto um ganz normale Bankgeschäfte.“

Dennoch stimmte eine große Mehrheit im REGI am Ende der Verlängerung und Ausweitung des Investitionsfonds gegen die Stimmen von linken und grünen MdEP zu. „Immerhin gelang es uns, einige klare Anforderungen zu formulieren, die bislang völlig außen vor gelassen worden waren“, sagt Michels: 

EFSI-Projekt müssen soll klar nachweisen, dass sie zusätzlich durchgeführt werden, also ohne die Kredithilfe nicht zustande kommen würden. Die EIB soll sich um bessere Verteilung des Förderung bemühen: Bislang konzentrieren sich die unterstützen Großprojekte in den (vor allem westeuropäischen) weiterentwickelten Regionen. In den Regionen sollen durch die EIB und die Förderbanken bessere Informationen zu EFSI, aber auch anderen EU-Förderinstrumenten bereitgestellt werden, damit sie besser entscheiden können, welche Instrumente vor Ort am sinnvollsten angewandt werden können. Die Förderung von Autobahnen soll auf die Kohäsionsländer beschränkt werden. Schließlich fordert der REGI auch mehr Transparenz hinsichtlich der geförderten Projekte und Fördersummen gegenüber der Öffentlichkeit sowie die Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle.

Als kleine Randbemerkung sei erwähnt, dass es sich der Vize-Präsident der EU-Kommission Jyrki Katainen (zuständig für „Wachstum und Jobs“), nicht nehmen ließ, am Vortag der Abstimmung in den Ausschuss zu kommen, um noch einmal Werbung für die Zustimmung zu EFSI 2.0 zu betreiben. Immerhin scheint der Kommission also klar zu sein, dass ihr „Erfolgsprojekt“ kein wirklicher Selbstläufer ist.

WiFi4EU und 5G

Die Anbindung und der Zugang zum digitalen Netz ist heutzutage eine ganz zentral, wenn es um wirtschaftliche, soziale und grenzüberschreitende regionale Entwicklung geht. Insofern ist die im vergangenen Herbst von der EU-Kommission angestoßene Initiative WiFi4EU durchaus begrüßenswert. Es geht dabei wie der offizielle Titel sagt um „die Förderung von Internetzugängen in Kommunen“: ihnen soll finanziell unter die Arme gegriffen werden bei der Bereitstellung kostenloser W-LAN Verbindungen. Auch hier gilt einmal mehr: es gibt nicht viel, erst recht kein „neues“ Geld im EU-Haushalt. Aber, so Martina Michels: „Das Anliegen ist gut und der REGI-Ausschuss setzt sich für weitere Verbesserungen des Gesetzesentwurfs ein. Beispielsweise wollen wir klarstellen, dass auch diejenigen Kommunen EU-Hilfen erhalten können, die schon länger freien W-LAN Zugang ermöglichen, sich aber keine Modernisierung auf schnellere Verbindungen leisten können. Bei der Verteilung soll darauf geachtet werden, dass EU-Förderung dort ankommt, wo sie besonders benötigt wird, eben in den wirtschaftlich wie digital zurückhängenden Kommunen. Klar muss auch sein, dass solche öffentlich geförderte digitale Infrastruktur jedem vor Ort kostenlos, unter geltenden Datenschutzbestimmungen und ohne jegliche Verpflichtung zu irgendwelchen Waren- oder Dienstleistungskäufen zugänglich sein muß.“

Interessant, dass der selbe Ausschuss bei einem grundsätzlicheren Text zur digitalen Strategie der EU, konkret bei der Diskussion um den künftigen Technikstandard5G , wenn man so will die nächste Generation von ultra-schneller Breitbandinfrastruktur, dann doch wieder verstärkt einseitig Ohren für die Wünsche der Industrie zu haben schien. „Dank unserer Intervention gibt es nun immerhin einen Hinweis darauf, dass der universaler Zugang zu modernster digitaler Infrastruktur essentiell für soziale, wirtschaftliche und territoriale Kohäsion ist“, sagt Martina Michels. „Zugleich hatte man bei der Debatte um den Text den Eindruck, die EU soll mal schön mit öffentlichen Geldern in die Entwicklung und dann die Infrastruktur investieren, damit „unsere“ EU-Wirtschaft nicht der amerikanischen hinterherhängt und auch etwas vom Gewinnkuchen abbekommt. Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft sucht man allerdings vergeblich“. 

100%ige EU-Förderung für Wiederaufbauprojekte nach Naturkatastrophen

In Zukunft soll eine 100%ige EU-Förderung für Wiederaufbauprojekte nach Naturkatastrophen – wie z. B. Erdbeben – aus dem Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) möglich sein, zusätzlich zu Unterstützungsleistungen aus den EU-Solidaritätsfonds. Der REGI folgte mit seiner Entscheidung einem Vorschlag der EU-Kommission zur Erweiterung der Ausnahmen der aktuell geltenden Gesetzeslage: Normalerweise müssen Mitgliedstaaten oder Regionen einen Finanzierungsanteil von 10-50% leisten, um EU-Fördermittel zu erhalten. Es handelt sich allerdings nicht um eine Aufstockung im EU-Haushalt, sondern die Mittel würden gegebenenfalls von der dem jeweiligen Mitgliedstaat zugeordneten Fördersumme abgezogen. Damit dennoch kontinuierlich Regionalentwicklungspolitik auch in denjenigen Ländern betrieben wird, die häufiger von Naturkatastrophen betroffen sind, zog der REGI-Ausschuss eine Obergrenze für diese neue Prioritätsachse von 5% ein. Erhofft wird, dass die Neuregelung noch vor dem Sommer in Kraft treten kann. Sie soll auch rückwirkend, für die Bewältigung vergangener Naturkatastrophen angewandt werden können.

FIs in der Kohäsionspolitik

Eine strategische Positionierung in Richtung künftiger EU-Regionalpolitik nahm der REGI-Ausschuss mit seinem Bericht „Der richtige Finanzierungsmix für Europas Regionen: Schaffung eines Ausgewogenen Verhältnisses zwischen Finanzierungsinstrumenten und Finanzhilfen“ an. Hinter dem langen Titel versteckt sich schlicht die Frage, ob Zuschüsse oder Finanzinstrumente (FIs)/revolvierende Fonds in der Kohäsionspolitik künftig den Ton angeben sollen bzw. ob und wie sie besser kombinierbar sind. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen sowohl die bereits innerhalb der jetzigen Kohäsionspolitik bestehenden Finanzierungsinstrumente als auch de EFSI eine zunehmend stärkere Rolle spielen.

Das allerdings, befürchtet Martina Michels „würde die Regionalpolitik immer stärker eingrenzen auf Wirtschaftsförderung. Regionale Wirtschaftsförderung ist gut und muss es geben. Aber Kohäsionspolitik ist viel mehr, ist sozialer Ausgleich auch in Form von Projekten zur Armutsbekämpfung, zur sozialen Integration, zur Verbesserung des Zugangs zu physischer und digitaler Infrastruktur und öffentlichen Diensten sowie zum Umweltschutz. Sehr viel davon lässt sich beim besten Willen nicht gewinnorientiert ausrichten. Ohne Zuschüsse sind solche Projekte also nicht machbar.“  

Nach langen Verhandlungen kam der REGI-Ausschuss schließlich zu einem Text mit entscheidend wichtigen Positionierungen: In vielen Bereichen sind Zuschüsse das einzig sinnvolle Förderinstrument. Finanzinstrumente dürfen Zuschüsse nicht als Hauptwerkzeug der Kohäsionspolitik ersetzen. Gesetzlich verbindliche Prozentsätze für den Anteil von Finanzinstrumente an der künftigen Mittelverteilung sind mit dem Europaparlament nicht zu machen und jede Region muss selbst entscheiden können, welche Instrumente sie im Rahmen der Zielstellungen der Kohäsionspolitik einsetzen kann und will.

Alle Sitzungsdokumente des REGI-Ausschusses finden sich hier.