LINKE sieht EU-Portabilitätsverordnung als minimales Angebot

Was zum großen Wurf fehlt

Die neue EU-Portabilitätsverordnung „ändert nicht wirklich das Angebot, seine Vielfältigkeit und Struktur, sondern verbessert lediglich individuelle Verbraucherrechte“, sagt die linke Europaabgeordnete Martina Michels. Sie kritisiert, dass die digitale Binnenmarktstrategie „uns alle nur als individuelle KäuferInnen sehen will“.

Die neue EU-Portabilitätsverordnung soll das sogenannte Geoblocking für rechtmäßig erworbene Inhalte beenden und die Erteilung von Lizenzen für den grenzüberschreitenden Zugang zu Inhalten vereinfachen. Wie bewerten Sie die neuen Regeln?
Letztlich wird in der Portabilitätsrichtlinie nur ein kleiner Ausschnitt behandelt. Es ist, bezogen auf die Aufhebung des Geoblockings als Geschäftsstrategie und einer nötigen Debatte über europäische Lizenzen nur ein minimales Angebot, wenn man es mit den vollmundigen Ankündigungen der Kommission von Mai 2015 vergleicht. Natürlich müssen kleine Firmen auch ohne Territorialprinzip überleben können, doch daran will offenbar die Mehrheit nicht rütteln und die europäische Harmonisierung des Urheberrechts und die Konsequenzen für die Konsumenten bleiben einmal mehr auf der Strecke.

Der Vorschlag soll insgesamt für eine bessere Verbreitung von Inhalten und eine größere Auswahl für den europäischen Verbraucher sorgen. Schafft der neue Rechtsrahmen einen echten europäischen Markt für digitale Inhalte?
Zum einen zielt der Vorschlag auf das, was schon erworben wurde, also er ändert nicht wirklich das Angebot, seine Vielfältigkeit und Struktur, sondern verbessert lediglich individuelle Verbraucherrechte. Doch das ist selbst bei der Portabilität nicht alles. Es gibt auch öffentliche Mediatheken, Projektgruppen und kollektive Forschung, die grenzüberschreitend kommunizieren wollen. Die kommen in all diesen Regelungen gar nicht vor. Die ganze digitale Binnenmarktstrategie krankt daran, dass sie uns alle nur als individuelle KäuferInnen sehen will. Dass wir BürgerInnen sind und der Markt nur Teil einer digitalen Gesellschaft ist, in der auf neue Weise gelernt und kommuniziert wird, ist in der ganzen Strategie nur rudimentär, z. B. wenn es um Cloudcomputing und andere Wissensspeicher geht, die allerdings hohe Datensicherheit benötigen.

Rechteinhaber beklagen, die neuen Regeln würden etablierte Lizenzierungsmodelle bedrohen. Wie stehen Sie zu diesen Einwänden?
So, wie die Regeln bisher entwickelt wurden, ist gar keines der alten Modelle, die alle auf das Territorialprinzip aufsetzen, bedroht. Das ist Jammern auf hohem Niveau und real jammern immer eher die Rechteverwerter als die Inhaber, also Verleger und Filmproduzenten und nicht alle AutorInnen, MusikerInnen usw.

Wie könnten eine eventuelle Schlechterstellung von Urhebern aus Ihrer Sicht kompensiert werden?
Bisher sehe ich keine Schlechterstellung von Urhebern. Allerdings sehe ich auch keinerlei Ansätze für ein harmonisiertes Urheberrecht, das allen Kreativen in neuen Modellen wirklich zuverlässig Einkommen sichert und Nutzerinnen und Nutzer wirklich mit gutem Zugang zu modernem und vielfältigem Content versorgt. Am lautesten rufen noch immer die Rechteverwerter, bei denen sich die traditionellen (Verlage, Film- und Musikproduzenten) mit den modernen (Plattformen) um die Marktanteile streiten. Dass da oft genug die kulturelle Vielfalt oder die Einkommen der KünstlerInnen als Argument für die eigenen politischen Vorstöße oder Blockaden herangezogen werden, ist bekannt. Das ändert allerdings wenig an den derzeitigen Machtkonstellationen, die weder Kreative mehrheitlich reich gemacht haben noch ernsthaft für kulturelle Vielfalt etwas tun.