Türkei: Handschellen und Gefängnis für die Demokratie

Pressekonferenz in Straßburg mit kurdischen JournalistInnen: Maxime Demiralp, Haval Arslan, Martina Michels und Baris Güllü | Foto: Karim Khattab

Am 11. Oktober wurden in einem umfangreichen Einsatz der türkischen Polizei rund 60 Vorstandsmitglieder der der pro-kurdischen und linken Partei HDP und ihrer Schwesterpartei DBP in Diyarbakır und Bitlis verhaftet und eingesperrt. Unter ihnen sind die Ko-Vorsitzenden der HDP und DBP von Diyarbakır und Bitlis Stadt, die 25 Ko-Vorsitzenden in Stadtteilen Diyarbakırs sowie die Ko-Vorsitzenden der Stadtteile Ahlat, Norşin und Adilcevaz in Bitlis. Weder wird den Anwälten der Festgenommen gestattet, diese zu sehen, noch erhalten ihre Familien Informationen. Am selben Tag holte die Polizei im Wohnhaus des HDP-Abgeordneten der Stadt Batman, Mehmet Ali Aslan, Erkundigungen über seinen Verbleib ein.

Dazu erklärte die Europaabgeordnete Martina Michels, stellvertretendes Mitglied in der EU-Türkei-Delegation des Europaparlaments:

„Nach der Aufhebung der Immunität oppositioneller Abgeordneter; der strafrechtlichen Verfolgung von Abgeordneten; der Verfolgung, Verhaftung und Inhaftierung von SchriftstellerInnen, JournalistInnen, WissenschaftlerInnen; den großen Säuberungswellen bei Staatsbediensteten und den Entlassungen von Bürgermeistern vor einem Monat; sowie der Schließung kurdischer Medien in der vergangenen Woche, ist dies ein weiterer Schritt im Feldzug Erdoğans gegen die politische Opposition. Ich schließe mich da der Einschätzung der HDP an, dass diese Art von Racheoperationen den demokratischen Handlungsspielraum zerstört und einen demokratischen Dialog beerdigt. Niemand wird irgendeine Nähe der politischen Ausrichtung der HDP mit Erdoğans Intimfeinden von der Gülen-Gemeinde bestätigen können. Die Umstände der Verhaftungen stellen eine klare Ansage an rechtstaatlich getragene Auseinandersetzungen mit der politischen Opposition dar, zeitigen offene Diskriminierung und Willkür.“

Martina Michels fordert:

„Die EU, insbesondere der Rat und die Kommission, sollte den nächsten Gipfel nutzen, um ihre Beziehungen zur Türkei endlich auf eine sachliche Grundlage zu stellen. Der Flüchtlingsdeal ersetzt nicht die liegengebliebenen Hausaufgaben, die die EU bei der Entwicklung einer humanen Flüchtlingspolitik endlich erledigen muss. Solange die EU und ihre Mitgliedstaaten der systematischen Vertreibung von Kurdinnen und Kurden tatenlos zuschauen, wird es auch keine nachhaltigen Lösungen des Syrien-Konflikts und Erfolge im Kampf gegen den sogenannten IS geben.

Wir als Europaparlamentarierinnen und -Parlamentarier sollten unsere Möglichkeiten nutzen und der Visaliberalisierung mit der Türkei nicht zustimmen, so lange die Anforderungen von Seiten der Türkei nicht erfüllt werden, allen voran die Gesetzgebung zur Terrorbekämpfung und ein gesetzlich verankerter Datenschutz.“