Ein kleiner Schritt für mehr Vertrauen

Israels und Palästinas Präsidenten im Europaparlament

Besondere Gäste dieser Plenartagung in dieser Woche waren die Präsidenten Israels, Reuven Rivlin, und Palästinas, Mahmoud Abbas.

Martina Michels (DIE LINKE.) und Martina Anderson (Sinn Féin/Irland) hatten diesen Besuch im Vorfeld in einer gemeinsamen Presseerklärung (deutsche und englische Fassung) begrüßt. Die beiden Mitglieder der Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament – Michels als Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu Israel und Anderson als Vorsitzende der Delegation für die Beziehungen zu Palästina – hatten darin die EU zu konkreteren Maßnahmen für den Wiederaufbau von Vertrauen auf beiden Seiten aufgerufen.

Am Mittwoch wandte sich der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin an die Europaabgeordneten. Er sprach über die gemeinsame Geschichte, die Israel mit Europa verbindet, über die Bedrohung durch Anti-Semitismus in den vergangenen Jahrhunderten und heute, über die gemeinsame Bedrohung durch Terrorismus. Angesichts des europäischen Einigungsprozesses, den er besonders auch als Friedensprozess würdigte, hob Rivlin die enge Zusammenarbeit zwischen Israel und der EU, insbesondere bei wirtschaftlichen, Technologie- und Gesundheitsprojekten hervor sowie die gemeinsame kulturelle und intellektuelle Geschichte, die das Verständnis von Demokratie und Politik präge.

Mit Blick auf den Nahostkonflikt betonte er, der Staat Israel müsse vor allem ein sicherer Hafen für das jüdische Volk bleiben und warb für Verständnis für dieses Bedürfnis nach existentieller Sicherheit und für gegenseitige Geduld zwischen Partnern. Ein EU-Beitrag zum Aufbau von Vertrauen funktioniere nicht durch Boykott, sondern über Kooperation.

An der jüngsten französischen Initiative für einen neuen Verhandlungsprozess kritisierte der Präsident, sie schiene mehr auf Verhandlungen um der Verhandlungen willen orientiert. Seit den Osloer Vereinbarungen seien Israels Politiker immer für eine 2-Staaten-Lösung gewesen und die gewählte israelische Führung „stand und steht hinter der ‚Zwei Staaten für zwei Völker‘-Lösung“. Allerdings könne unter den gegenwärtigen Bedingungen „zurzeit kein dauerhaftes Friedensabkommen zwischen uns und den Palästinensern erreicht werden“. Dazu bedürfe es unter anderem einer wirksamen politischen Führung und verwies damit auf die Spaltung zwischen Hamas im Gazastreifen und der Palästinensischen Autonomiebehörde. Solange darüber hinaus fundamentalistische Bewegungen für Gewalt sorgten, sei Sicherheit kaum mit zivilen Mitteln allein herzustellen.

Ganz grundlegende Ursache für den festgefahrenen Konflikt sei mangelndes Vertrauen zwischen den Parteien auf allen Ebenen und zwischen den Völkern. Rivlin rief die EU dazu auf, zur Vertrauensbildung zwischen beiden Parteien beizutragen. Es sei notwendig, den Teufelskreis voller Blut zu beenden. Für einen erfolgversprechenden Lösungsansatz seien vier Elemente wichtig: Zum einen die Stärkung moderater Kräfte in der Region wie z.B. Jordanien und Ägypten, sowie die Entwicklung von Wirtschaft, Infrastruktur und Versorgung mit Wasser, Strom, Kanalisation in Gaza und West Bank (Rivlin verwendete die Bezeichnung Judäa und Samaria), um eine Angleichung der Lebensverhältnisse zu erreichen. Drittens könnten Joint Ventures zum Beispiel für erneuerbare Energien, Tourismus, Wasseraufbereitung und Kultur gemeinsame Interessen schaffen, die über die wirtschaftlichen Fragen hinausgingen. Vor allem müsse man viertens die Herzen der Menschen auf beiden Seiten erreichen, Frieden müsse nicht nur zwischen Politikern, sondern zwischen den Völkern herrschen. Noch sei tiefsitzender Hass und Angst oft stärker als die Hoffnung. Von allen Seiten müsse daher in Kommunikation investiert werden, wobei die Hauptverantwortung bei den israelischen und palästinensischen Akteuren liege.

Rivlin dankte dem Europaparlament für die Einladung, zu den Abgeordneten in derselben Woche zu sprechen, wie Präsident Abbas. Dies sei kein Ersatz für direktes Gespräch, aber ein Schritt für mehr Vertrauen und auch in der Geschichte hätten viele kleine Schritte eine große Realität hervorgebracht.

Der Israelische Staatspräsident schloss seine Rede mit einen Friedenswunsch an alle Muslime im Namen des Volkers von Israel.

Mit einer klaren Absage gegen Gewalt und Verherrlichung von Extremismus begann Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas seine Rede im Plenum des Europaparlaments am Donnerstagmorgen. Er stellte klar, die palästinensische Seite wolle als zuverlässiger Partner wahrgenommen werden. Nicht nur deshalb gebe es die größten Bemühungen, eine Einheitsregierung herzustellen, also eine Regierung der nationalen Einheit aus allen Parteien, die sich an internationale Vereinbarungen hält.

Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde betonte jedoch: „Es ist Zeit für unser Volk, in Freiheit zu leben, ohne Mauern und Sicherheitskontrollen“. Die andauernde Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel sei nicht hinnehmbar. Diese Besatzung verhindere nicht nur die Nutzung der vorhandenen Ressourcen auf palästinensischem Gebiet und damit die Entwicklung der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes, des Tourismus‘ und damit auch den weiteren Ausbau des sozialen und Bildungssystems. Sie liefere auch Vorwände für Gewalt und Terrorismus. Es sei dagegen aber wichtig, sich gemeinsam gegen Terrorismus und Extremismus zu engagieren. Die Gründung eines palästinensischen Staates solle auch deshalb rasch vollzogen werden, mit Ostjerusalem als Hauptstadt, die jedoch offen für alle Mitglieder der Schriftenreligionen sein müsse.

Abbas dankte der EU für ihre Wiederaufbauhilfe nach drei Gaza-Kriegen und bat besonders die Europaabgeordneten um weitere Unterstützung, um eine faire und gerechte Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage der Grenzen von 1967 zu erreichen. In diesem Zusammenhang begrüßte er auch die französische Initiative von 3. Juni 2016 zur Wiederbelebung der Nahost-Friedensgespräche und setzte sich für eine Frist für den Abschluss dieser Bemühungen ein. Irgendwann müsse eine Lösung her, sonst würde das Vertrauen der Bevölkerungen weiter schwinden. Die Aufrechterhaltung des Konflikts liege jedoch vor allem im Interesse von Terroristen.

Auch der Präsident der Autonomiebehörde richtete eine Friedensbotschaft aus: Er versichere dem israelischen Volk, dass die palästinensische Regierung und Parteien ihre Hand austrecken. Gemeinsam wolle man Frieden und die Garantie der Rechte aller in Sicherheit und Stabilität aufbauen.

Nach unserer Informationslage trafen die  beiden Staatspräsidenten während ihres Besuchs bei den EU-Institutionen nicht offiziell zusammen.

Links:

Redebeitrag von Reuven Rivlin, Präsident Israels  

Redebeitrag von Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments

Redebeitrag von Mahmoud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde

Redebeitrag von Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments

Pressemitteilungen des Europäischen  Parlaments zu den beiden Gastreden hier und hier.

Fotos Europäisches Parlament/Helmut Scholz: Israels Staatspräsident Reuven Rivlin, oben und Mahmout Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, unten.