„Die Gemeinsame Liste in der Knesset – Progressive Kämpfe in Israel“

Hana Amoury (RLS), MdEP Martina Michels (DIE LINKE.) Tsafrir Cohen (RLS), MdEP Josu Juaristi (EH Bildu) | Foto: Nora Schüttpelz

Auf Initiative von Martina Michels hatte DIE LINKE. im Europaparlament in dieser Woche zum Fachgespräch „Die Gemeinsame Liste in der Knesset – Progressive Kämpfe in Israel“ eingeladen. Tsafrir Cohen und Hana Amoury von der Rosa Luxemburg Stiftung in Tel Aviv informierten über die Entstehung und die bisherige Arbeit der linken Listenverbindung in Israel. Zugleich ging es bei diesem Besuch darum, wie die israelische und die europäische Linke gemeinsam für eine bessere Welt kämpfen können.

Mit der neugegründeten Gemeinsamen Liste ist eine ethnisch gemischte parlamentarische Plattform entstanden, die sehr unterschiedliche politische Positionen – von sozialistischen über liberale zu national und islamisch-konservativ argumentierenden– einschließt, gleichzeitig die palästinensische Minderheit (etwa 20% der Bevölkerung) in Israel repräsentiert und mit 13 von 120 Knesset-Mandaten die drittgrößte Fraktion der Knesset darstellt.

Die Gemeinsame Liste ist aber mehr als die Vertretung einer ethnischen Minderheit, da sie – auch wenn sie lediglich von wenigen Tausend linken jüdischen Israelis, die an Chadasch angebunden sind, gewählt wurde – ausdrücklich ein politisches Angebot für die gesamte israelische Gesellschaft, für ein Ende der Besatzung und für mehr soziale Gerechtigkeit anbietet. Dies ist besonders bedeutend angesichts der Schwäche der linksliberalen Meretz (fünf Mandate bei schrumpfender Manövrierfähigkeit) und des Rechtsrucks in der Arbeitspartei.

An der Gemeinsamen Liste beteiligen sich die arabisch-jüdische sozialistische Chadasch/al-Jabha (Demokratische Front für Frieden und Gleichheit),  die links-orientierte nationale Balad/al-Tadschamu‘ (Demokratische Nationale Versammlung), deren Hauptforderung in der kulturellen Autonomie für palästinensische Israelis besteht, und die konservative Vereinte Arabische Liste, die sich hauptsächlich aus zwei Komponenten zusammensetzt:  zum einen (der südliche, gemäßigte  Flügel) der Islamischen Bewegung, und zum anderen die liberale Ta’al (Arabische Bewegung für Veränderung), die hauptsächlich durch ihren charismatischen Führer, Ahmad Tibi, bekannt ist.

Die symbolische Kraft der Gemeinsamen Liste hat schon außerhalb Europas für Aufmerksamkeit gesorgt: In der arabischen Welt und in den besetzten Palästinensergebieten schaut man sehr genau auf ein Projekt, an dem Kräfte zusammenarbeiten, die sich an anderen Orten erbitterte und zerstörerische Kämpfe liefern. Damit hat die Gemeinsame Liste potentiell Vorbildcharakter weit über Israel hinaus. In anderen Ländern, etwa in den USA (siehe etwa David Remnicks Beitrag im New Yorker Magazine http://www.newyorker.com/magazine/2016/01/25/seeds-of-peace) wiederum werden die Gemeinsame Liste und ihr Vorsitzender Ayman Odeh als Schwesterpartei der kurdischen HDP und deren Vorsitzender Selahattin Demirtaş eingerahmt, sprich als Vertreter einer ethnischen Minderheit, die aber eine, vielleicht DIE progressive Vision für das gesamte Land anbieten. Auch in Europa hat sie schon für Aufmerksamkeit gesorgt, etwa bei einem Delegationsbesuch in Berlin, der Treffen mit den außenpolitischen Sprechern aller Fraktionen, dem Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt sowie eine Ansprache bei der Linksfraktion einschloss.

Die neugegründete Gemeinsame Liste ist ein spannendes politisches Projekt und nicht nur für die israelische Politik von Bedeutung, sondern potentiell auch für die gesamte Region. Trotz schrumpfender demokratischer Spielräume, steigendem Rassismus und der akuten Bedrohung des Abrisses und Umsiedlung ganzer beduinischer Gemeinden im Negev/Naqab unter der rechten Netanjahu-Regierung, haben Abgeordnete der Liste ihre parlamentarischen Einflussmöglichkeiten erweitert und sind zu einer zentralen Kraft innerhalb der linken Opposition geworden. Aber inwiefern kann die Liste für eine friedliche Lösung des Konflikts beitragen oder progressive Politik durchsetzen? Im Gespräch soll das Besondere an der politischen Arbeit des Wahlbündnisses diskutiert sowie seine zukünftigen Perspektiven und Herausforderungen werden.

Ein längerer Hintergrundartikel zur Gemeinsamen Liste findet sich auf der Internetseite der Rosa-Luxemburg Stiftung in deutschenglischfranzösisch und griechisch.